In einem in Neonlicht getauchten Keller, zwischen holzvertäfelten Fluren und Stahltüren finden sich noch heute sichtbare Überbleibsel des früheren kernphysikalischen Labors der Hochschule. Es entstand in den 60er-Jahren, in den Hochzeiten der Atombegeisterung und wurde 1964 feierlich eingeweiht. Ein SR-Beitrag aus dieser Zeit gibt Einblicke in das Labor der Vorläuferinstitution der Hochschule, der Staatlichen Ingenieurschule Saarbrücken.
An der Staatlichen Ingenieurschule Saarbrücken war man stolz auf die neue Abteilung für Kerntechnik und Strahlenschutz. Immerhin gehörte Saarbrücken nun zu den nur fünf Ingenieurschulen in der ganzen Bundesrepublik, die über eine solche Einrichtung verfügten. Die neuen Ausbildungsmöglichkeiten passten gut zum Zeitgeist als Kernkraftwerke als die Versorgungssysteme der Zukunft angedacht waren. „Das Saarland leistet auch seinen Beitrag zur friedlichen Verwendung der Kernenergie“, sagte der damalige Ministerpräsident Franz Josef Röder bei der feierlichen Eröffnung des Labors. Mit Unterstützung der Regierung hatte man 1,2 Millionen D-Mark in das Labor investiert. Zu dieser Zeit eine hohe Summe, die neben der Anschaffung von Messgeräten auch aus Gründen des Strahlenschutzes notwendig war. Denn das Labor unter der Leitung von Prof. Dr. Häusler war auch dafür ausgelegt, mit offenen radioaktiven Präparaten zu arbeiten.
„Meines Wissens nach wurde in diesem Labor aber nie mit offenen radioaktiven Stoffen in nennenswertem Umfang umgegangen“, sagt Prof. Dr. rer. nat. Karl-Heinz Folkerts, der das kernphysikalische Labor 1988 übernommen hatte und heute im Ruhestand ist. „Als ich 1988 an die Hochschule gekommen bin, habe ich das Labor genauso übernommen, wie es 1964 eingerichtet war“, erinnert er sich. Das zusätzliche kerntechnische Semester für Elektroingenieure und Maschinenbauer hat es zu dieser Zeit schon nicht mehr gegeben. Prof. Folkerts hat das Fach Kerntechnik aber als Wahlpflichtfach für Elektrotechniker und Maschinenbauer angeboten. Da er selbst im Bereich Strahlenschutz promoviert hatte und es zu dieser Zeit – vor allem im Hinblick auf die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl – bereits abzusehen war, dass die Reaktortechnik zurückgefahren wird, lenkte Prof. Folkerts die Vorlesung „Kerntechnik“ immer mehr in Richtung Strahlenschutz. Da der Physiker zuvor auch in der medizinischen Physik – genauer in der Nuklearmedizin – tätig war, baute er auch Aspekte der Nuklearmedizin, Röntgentechnik und Strahlentherapie in seine Vorlesungen ein. Damit bereitete er den Weg für den heutigen Bachelor-Studiengang „Biomedizinische Technik“ und den Master-Studiengang „Medizinische Physik“.
Ein Meilenstein in dieser Entwicklung war die behördliche Anerkennung seiner Vorlesungen mit Praktikum als Kurs zum Erwerb der Fachkunde im Strahlenschutz. Damit konnte die Hochschule eine bundesweit anerkannte Urkunde zum Erwerb der Fachkunde für Studierende im Bereich Strahlenschutz ausstellen. „Das war ein großer Erfolg und dadurch kamen immer mehr Kontakte zu Kliniken zustande. Da haben wir begonnen, darüber nachzudenken, einen eigenständigen Studiengang zu etablieren“, erklärt Prof. Folkerts.
Um die Entwicklung vom kernphysikalischen Labor in den 60er-Jahren bis hin zu den Studiengängen, die heute an der htw saar angeboten werden, weiß auch Prof. Dr. Michael Möller, Studiengangsleiter des Bachelors „Biomedizinische Technik“, des Masters „Medizinische Physik“ und des Masters „Neural Engineering“. „Unsere Absolventen sitzen jetzt bundesweit in den Kliniken, das zeigt, welch gutes Konzept über die Jahre etabliert wurde“, sagt er. Von der Anwendung ionisierender Strahlung in der Medizin gehe nach wie vor ein großer Nutzen aus - angefangen bei den vielen Anwendungen der Röntgendiagnostik bis hin zur Strahlentherapie. „Unsere Studierende arbeiten sehr praxisnah, daher können sie praktisch direkt nach dem Studium in den Beruf starten“, erklärt Prof. Möller.
Kleine Anekdote am Rande
Prof. Folkerts und seine frühere Technische Assistentin im Labor für Kernstrahlungsmesstechnik und Strahlenschutz, Sabine Jung, wissen noch um eine Anekdote:
Einige der Beschäftigten und Lehrenden an der htw saar erinnern sich sicher noch an das große Hochwasser 1993. Damals war auch der Campus Alt-Saarbrücken „Land unter“. „Wir hatten das kernphysikalische Labor gerade umgewidmet und Fenster in die früheren Laborräume einbauen lassen“, erinnert sich Prof. Folkerts. Dann stieg die Saar über ihre Ufer. „Ich verstehe es bis heute nicht: Das Wasser hat bis an die Fensterrahmen gestanden, ist aber dann nicht mehr gestiegen. Andere Labore sind einfach abgesoffen, aber wir hatten Glück“, sagt er. Prof. Folkerts kann sich noch genau erinnern, dass er gerade in Urlaub war, als der damalige Kultusminister versucht hat, ihn, den Strahlenschutzbeauftragten, zu erreichen. Schließlich waren in dem Labor noch radioaktive Strahler vorhanden – wenn auch nur in geringen Mengen und gut geschützt. „Da konnte nichts passieren“, sagt Prof. Folkerts. Dennoch habe er die Gelegenheit genutzt, um diese Materialien, die sowieso nicht mehr in Gebrauch waren, auf Antrag beim Ministerium sicher entsorgen zu lassen.