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Text: Dominique Albert-Weiß, Prof. Dr. Ahmad Osman

Di
e Lebensmittelindustrie steht vor der Herausforderung, die Anzahl von Lebensmittelabfällen zu reduzieren, mit dem gleichzeitigen Ziel, die Qualitätssicherung von Lebensmitteln zu gewährleisten. Ist der Reifezeitpunkt von Obst und Gemüse überschritten, werden die Lebensmittel meist als nicht mehr genießbar empfunden. Dies hat zur Folge, dass in Deutschland jährlich 18 Millionen teils noch verzehrfähige Lebensmittel im Abfall landen. Vergleicht man dies mit der hierfür notwendigen landwirtschaftlichen Nutzfläche, so werden circa 5 Millionen Hektar unnötig bewirtschaftet. Dies entspricht der doppelten Fläche von Mecklenburg-Vorpommern und dem Saarland. 

Mit der starken Unterstützung der Politik zur Reduzierung von Lebensmittelabfällen nimmt die Thematik auch immer mehr Anwendung in der Forschung an. Um den Reife- und Frischegrad frühzeitig zu erkennen, wird an der htw saar an einem auf künstlicher Intelligenz (KI) basierenden, zerstörungsfreien Prüfsystem geforscht, welches den Reifepunkt von Agrarprodukten bestimmen kann. Neben der Bestimmung des Reifezustandes soll dieses vor allem als Frühwarnsystem zum Einsatz kommen. Dieses soll einen bevorstehenden Eintritt der Fäulnis und des Verderbs von Agrarprodukten ermöglichen, um innerhalb der Logistikkette frühzeitig zu handeln. Im Rahmen des Forschungsprojektes KI-UltraHaltbarkeit steht die Entwicklung eines portablen Handgerätes im Vordergrund, welches später Anwendung in der Industrie erlangen soll. Dabei setzen die Forscher auf ein multimodales System, um komplementäre Merkmale zu erfassen und somit eine Analyse und Bewertung des Reife- und Frischegrades in situ vorzunehmen. Gekoppelt werden sowohl akustische als auch optische Verfahren, welche bereits frühzeitig eine Aussage über das Reifeverhalten ermöglichen sollen. Mittels Techniken des Deep Learnings soll später eine Klassifizierung von neuen Proben ermöglicht werden. 

 

Prüfung von Haltbarkeit und Frischegrad 

Bei dem Kauf von Produkten im Einzelhandel werden durch den Kunden hohe Anforderungen an die Qualität von Lebensmitteln gestellt. Durch den Einsatz von zerstörungsfreien Prüfverfahren soll am Anwendungsbeispiel von Wasser- und Zuckermelonen ein portables Handgerät konzipiert werden, welches innerhalb kürzester Zeit eine Vorhersage über dessen Reife und Haltbarkeit ermöglicht. Vorteil bei der zerstörungsfreien Prüfung ist es, dass Informationen über das Innere der Frucht erlangt werden können, ohne diese dabei zu öffnen oder zu beschädigen. So soll beispielsweise eine Aussage über den allgemeinen Reifezustand oder den Zuckergehalt in der Zukunft möglich sein. Aufgrund der schweren Prüfbarkeit von dickhäutigen Früchten setzen die Forscher auf den Anwendungsfall von Wasser- und Zuckermelonen. Denn je nach Prüfbarkeit können die bei Wassermelonen variierende Geometrie oder unterschiedlichen Größen Schwierigkeiten hinsichtlich des einzusetzenden Prüfverfahrens mit sich bringen. »Dies ist lediglich ein erster Use Case. In der Zukunft planen wir eine Erweiterung auf weitere Früchte«, sagt Professor Ahmad Osman. 

»Wir arbeiten stark mit Industriepartnern wie Globus und Edeka zusammen, um das Projekt weiter voranzutreiben.« 

Um später eine Erweiterung auf andere Lebensmittel zu ermöglichen, wird auf die Gewährleistung einer modularen Sensortechnologie abgezielt, welche versucht, die Reife von Früchten anhand der menschlichen Sinneswahrnehmung abzuleiten. Die Kombination von akustischen und optischen Verfahren ermöglicht es, komplementäre Datenquellen zu fusionieren. Durch zusätzliches Vorwissen aus dem digitalen Produktgedächtnis solle es möglich sein, den Reifegrad entlang des Produktlebenszyklus von Lebensmitteln zu bestimmen. Daraus wird gewährleistet, dass eine Bestimmung der Reife und Haltbarkeit von Agrarprodukten entlang der kompletten Logistikkette abgedeckt werden kann. 

Erfassung eines biologischen Fingerabdrucks 

Um auf die Reife und Erweichung des Gewebes bei Lagerung schließen zu können, sollen akustische Prüfverfahren zum Einsatz kommen, die es ermöglichen, die Resonanzeigenschaften von Agrarprodukten als biologischen Fingerabdruck zu erfassen. Basierend auf einer vordefinierten Anregung wird die Frucht innerhalb ihrer Resonanzfrequenzen in Schwingung gebracht, um deren fehlerhaften Zustand zu bestimmen. Neben der Untersuchung der Reifung und der Haltbarkeit anhand von akustischen Merkmalen sollen optische Verfahren ergänzend zum Einsatz kommen, die eine Erkennung von braunen Stellen und somit eine externe Reifebestimmung und Untersuchung von Oberflächenunebenheit ermöglichen. Des Weiteren können physikalische und morphologische Gegebenheiten berücksichtigt werden, deren Kenntnis von großer Bedeutung für die Erfassung des akustischen Klangprofils ist. Zum besseren Verständnis der organoleptischen Wahrnehmungen wird zusätzlich für die Validierung der Reife ein Texturmessgerät eingesetzt. Hierfür soll zerstörend durch quasi-statische Messungen eine Referenz zur Haptik des Produktes geschaffen werden.  

Zur Erreichung der Meilensteine kooperieren die Forscher mit dem Fraunhofer-Institut für Zerstörungsfreie Prüfverfahren und den Unternehmen EDEKA und Globus. Hierbei soll bis Ende des Jahres eine erste Version des Prototyps stehen und innerhalb der Projektzeit erweitert werden. Das Projektvorhaben wird bis 2022 durch Mittel des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. 

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