Christiane Poersch ist 43 Jahre, Studentin der Sozialen Arbeit und Pädagogik der Kindheit, Mutter von 3 Söhnen im Alter von 4-14 Jahren, verheiratet mit einem evangelischen Pfarrer, und selbst evangelische Diakonin und Erzieherin, 1997 ausgebildet in der Kreuznacher Diakonie. Sie ist eine Frau voller Schwung und Elan, die nie aufhört anzufangen und die weiß was sie will.

Christiane Poersch hat bereits viele verschiedene Arbeitsfelder durchlaufen, vom Kindergarten über Jugendarbeit bis hin zur Erwachsenenbildung. Während ihrer Arbeit in der sozialpädagogischen Praxis stellte sie fest, dass ihr eine weitere staatliche Qualifikation fehlt, die ihr neue Handlungsfelder erschließen könnte. Der Wunsch ihr Wissen zu professionalisieren und neue Impulse zu erhalten, konnte jedoch nicht durch Fortbildungen erfüllt werden. So kam es dann, dass „ich beschlossen habe, mich mutig zu bewerben, wissentlich, dass es nur wenige Plätze gibt und ich doch schon einen ticken alt bin“, beschreibt sie mit einem Lächeln die damalige Situation. Für sie war klar: „Wenn ich diesen Studienplatz bekomme, dann werde ich das mit vollem Engagement antreten.“ Den Erhalt des Studienplatzes bezeichnet sie selbst als Geschenk, dennoch war sie sich bewusst, dass der Weg des Studiums mühsam sein wird. Die vorherige Berufserfahrung, familiäre Verantwortung und auch das Alter unterscheiden sie zum Teil zu ihren meist jüngeren Kommilitonen: „Die ersten paar Wochen waren ein Kampf.“ Sehr geholfen hat ihr, dass sich zu Beginn ein Grüppchen gebildet hat, das sich gemeinsam durchgekämpft und gegenseitig beim Organisieren von unterschiedlichen Fragen geholfen hat.

Der Studienbeginn bedeutete für die dreifache Mutter organisatorische Höchstleistung. Familiär musste alles umgestellt werden, da ihr Mann Vollzeit berufstätig ist und auch keine Großeltern vor Ort sind. Hinzu kommt, dass die Familie erst vor einem Jahr ins Saarland gezogen ist und sich ihren Lebensraum erst einmal erschließen musste. Ein hohes Maß an Disziplin und Eigenorganisation ist notwendig, damit alles funktioniert. Ihr Mann unterstützt sie voll und ganz. Auch die beiden älteren Söhne fanden „ es richtig cool“, dass ihre Mama ein Studium beginnt. „Sie belächeln meinen Ehrgeiz. Wenn ich nach Hause komme und sage >Ich habe nur 83 % in der Klausur erreicht< dann sagen die beiden >Du bist ´ne richtige Streberin Mama, das ist unglaublich<.“ Christiane Poersch weiß aber auch, dass es nicht immer einfach für die Familie ist. „Insbesondere in der Klausurenphase müssen meine Kinder und mein Mann meine Launen ertragen.“ Der Anspruch an sich selbst ist hoch. „Mein Ziel ist es in 7 Semestern fertig zu werden.“

Unterstützung bei der Vereinbarkeit von Studium und Familie gibt es auch von Seiten der Hochschule. „Das Beratungsangebot habe ich gleich zu Beginn meines Studiums in Anspruch genommen, da ich noch keine Vorstellung hatte, wie das Studium umsetzbar sein könnte.“ Viele gute Maßnahmen, wie z. B. den Familienpass, bei dem die Kinder in der Mensa kostenlos mitessen können, bieten eine Erleichterung. „Jedoch muss sich die Hochschule bewusst machen, dass, wenn sie diese Vielfalt an Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen möchte, sie auch freier werden muss. Sie kann nicht davon ausgehen, dass sich jemand 100% über Wasser halten kann, wenn er kein Stipendium oder Bafög bekommt, insbesondere dann, wenn man in einer anderen Lebenssituation steht als direkt nach Schulende.“ Christiane Poersch hat keinen Anspruch mehr auf Grundförderung, ihr komplettes Gehalt fehlt für die nächsten Jahre. Gerade im Saarland ist die Finanzierung z. B. für die Kinderbetreuung ein großer Faktor. Ein Nebenjob ist aus zeitlichen Gründen definitiv nicht möglich. „Ich möchte gesund aus dem Studium gehen und danach auch noch eine Familie haben.“

Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten gibt es aus ihrer Sicht zu den jüngeren Mitstudierenden? „Am Anfang war ich genauso grün hinter den Ohren, wie alle anderen auch.“ Den Altersunterschied empfindet Poersch als Bereicherung und sie fühlt sich gut aufgehoben und ernst genommen, auch wenn sie manchmal sogar älter als die Lehrenden ist. „Das Studium – gerade im sozialen Bereich – lebt von der Unterschiedlichkeit und Vielfalt der Studenten. Bei Diskussionen bzw. bei schwierigen Themen ist es sehr wertvoll, dass die unterschiedlichsten Erfahrungshorizonte eingebracht werden können. Und gerade diese Mischung verbessert das Studium und auch die Arbeit der Dozenten. So ist Leben.“ Einen Unterschied zu ihren jüngeren Kommiliton*innen stellt sie aber immer wieder fest: Die Art des Lernens ist eine ganz andere. Jungen Menschen fällt es leichter, Inhalte zu lernen bzw. auswendig zu lernen ohne zu verstehen. „Ich kann nichts auswendig lernen, was ich nicht verstanden habe und da muss ich auch sagen, da bin ich auch nicht bereit dazu. Ich recherchiere so lange, bis ich es verstanden habe, weil ich keinen Sinn darin sehe, in der Klausur auswendig Gelerntes einfach runter zu schreiben.“

Was fällt ihr noch auf? Mit einem Lächeln sagt sie „für manche bin ich vielleicht so eine kleine seelsorgerische Hilfe am Wegesrand.“ Da kommt ihr auch ihre vorherige Ausbildung zu Gute. „Ich mache das aber total gerne, weil ich weiß, wie gut das tut, wenn jemand mit ein bisschen Abstand aufmuntert und zum Durchhalten ermutigt.“ Negative Erfahrungen hat sie im Umgang mit den jüngeren Studierenden keine gemacht. „Die anderen Studenten sind sehr offen für Leute, die schon ein bisschen älter sind oder ein anderes Leben führen.“ Zu Partys oder Treffen in Kneipen wird sie genauso eingeladen. „Vielleicht liegt das auch an der Fakultät bzw. dem Studiengang“, so Poersch. „Wo ich jedoch anecke, da ich es total ärgerlich finde, ist, wenn jemand, der Soziale Arbeit studiert, die Grundformen von Höflichkeit nicht mehr beherrscht und z. B. Türen zufallen lässt oder während der Vorlesung Handys oder Laptops laut bedient. Da kann ich mir den ein oder anderen Satz nicht verkneifen.“

Was ist für Christiane Poersch Vielfalt? „Gerade im Umgang mit anderen Studierenden ist es manchmal auch für mich eine Herausforderung, wenn bestimmte Ansichten vorherrschen z. B. über ein bestimmtes Bild von Familie. Aber auch das ist Vielfalt, zu akzeptieren, dass Männer und Frauen ganz unterschiedliche Sichtweisen haben auf gesellschaftliche Phänomene,  z. B. ab wann schickt man sein Kind in die Kita, wie sollen Beziehungen gelebt werden usw.. Zwischen Reiz und Reaktion liegt die Freiheit, das sage ich mir immer wieder.  Vielfalt hat damit zu tun, dass jeder seinen eigenen Alltag gestaltet und Toleranzgrenzen hat. Jeder hat seine eigene Biographie, man sollte jedem seine eigene Vielfalt zugestehen, und das bedeutet auch erwarten zu können, dass es einem selbst zugestanden wird. Das ist der Nutzen von Vielfalt. Schwierig ist es, wenn Vielfalt zu Zwang wird und man sich immer auf eine gewisse Art verhalten oder handeln muss. Vielfalt hat auch ihre Grenzen, wenn die eigene oder die Würde von anderen verletzt wird. Vielfalt ist für mich die Voraussetzung für ein menschliches Miteinander.“

Und im Hinblick auf die Hochschule? „Für eine Hochschule ist es wichtig, gesamtgesellschaftliche Entwicklungen zu diskutieren und im Blick zu haben, am Puls der Zeit zu bleiben. Manchmal kann ein kurvenreicher Bildungsweg besser sein als ein geradliniger Bildungsweg. Zugangswege zu Bildung sind sehr vielfältig und ich würde mir wünschen, dass die htw saar hierfür offen ist und sich nicht von dem Professionalisierungswahn einholen lässt.“

 

 

 

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