Text: Iris Krämer-Schmeer

Was haben der Güterkraftverkehr und die Formel 1 gemeinsam? Na? Genau – die anhaltende Diskussion über Tankstopps. In der Formel 1 sind sie seit 2010 verboten. Die Fahrer starteten das Rennen mit wenig Sprit, um Gewicht zu sparen und schneller zu sein. Aufgabe des Teams am Kommandostand war es dann, auszutüfteln, wann der richtige Zeitpunkt war für Boxenstopp und Tanken. Mit Bauchgefühl kam man da nicht weiter… Algorithmen mussten her: Sie kalkulierten die richtige Menge Sprit, zur richtigen Zeit, damit es aufs Treppchen klappt.

So eine Aufgabe muss für Logistik-Unternehmer geradezu lustig klingen. Für J.S. Logistics zum Beispiel. Allein dieser mittelständische Familienbetrieb im Dreiländereck hat eine Flotte von über 70 Fahrzeugen, die täglich Lasten durch ganz Europa befördern. Da werden Tankmengen und Tankstopps ebenso wie in der Formel 1 zum strategischen Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit. Schon vor Antritt der Touren muss das Zuladungsgewicht in Hinblick auf den Spritverbrauch berücksichtigt werden, ebenso wie das Streckenprofil (Nah- oder Fernverkehr? Fast nur Autobahn oder geht’s über die Schwäbische Alb?). Führt die Fahrt ins Ausland, wo der Sprit eventuell teurer sein könnte? Wann lohnt ein Umweg, um günstig zu tanken, ohne den Liefertermin zu gefährden? »Zusammen mit den restriktiven Lenk- und Ruhezeiten des Fahrers hilft auch hier kein Bauchgefühl«, bestätigt Qivalon-Geschäftsführer Christian Ebert. »Das sind eine Menge Rahmenbedingungen, die es zu optimieren gilt.«Das große Einsparpotential, berichtet Ebert, wurde von vielen Spediteuren nur ansatzweise genutzt. »Dabei addieren sich Cents sehr schnell zu einem hohen Eurobetrag, wenn man bedenkt, dass ein LKW-Tank bis zu 1.000 Liter fasst.«

 

Gewerbliches  Kraftstoffmanagement – Qivalon entsteht

2008 reift am Institut für Supply Chain und Operations Management (ISCOM) die Idee, Telemetriedaten, Dieselverbräuche und -preise sowie Routeninformationen zu sammeln und in Echtzeit aufzubereiten, um sie für Dispositionsaufgaben im Ladungsverkehr nutzbar zu machen. 2014 wird daraus ein EXIST-Gründerstipendium. Qivalon entsteht.

»Wir Gründer, Martin Dirichs, Lukas Ewen und ich, waren von Anfang an dabei«, erläutert Christian Ebert. »Gemeinsam mit Professor Bousonville haben wir die Forschungsergebnisse während des EXIST-Stipendiums zu einem marktfähigen Produkt ausgebaut. Das brauchte seine Zeit.« Rückbesehen, räumt Ebert ein, hätten sie vielleicht sogar ein Jahr schneller sein können, aber ein gemäßigtes, stabiles Wachstum sei wichtiger als der schnelle Erfolg. Das Produkt wachse außerdem mit seinem Einsatz am Markt. »Es gab mehrere Phasen, in denen wir anhand des Kunden-Feedbacks weitere Anpassungen vorgenommen haben.«

Nichts als gegeben hinnehmen, das habe Ebert in den vergangenen 6 Jahren gelernt. Flexibles Denken sei gefragt. Dazu gehöre auch der Mut, eine Idee loszulassen, selbst wenn sie noch so gut klingt. Ebert nennt das »in die Tonne treten«. Neu beginnen zu können und die Möglichkeit, das eigene Produkt selber zu gestalten, seien dabei die stärkste Motivation.

Zur Software ›Tankplaner‹ und dem ›Dieselinspektor‹, der Fahrzeugdaten mit Tankabrechnungen abgleicht, sind dann auch gleich zwei weitere Analyse-Tools hinzugekommen. Mithilfe sogenannter ›Dashboards‹ lassen sich aussagekräftige Unternehmenskennzahlen ad hoc aufbereiten. »Wichtig, wenn es darum geht, positive oder auch negative Geschäftsentwicklungen früh zu erkennen, zu verstärken oder gegenzusteuern.«

Der ›ETA-Service‹ überwacht die Ankunftszeiten der gesamten Flotte unter Berücksichtigung von Lenkzeiten, aktueller Fahrzeugposition und vereinbarten Lieferzeiten. »Lieferzeiten einzuhalten, ist bei den eng getakteten Aufträgen und der Verkehrslage heute die große Herausforderung und der entscheidende Erfolgsfaktor im Speditionsgeschäft«, beteuert der junge Unternehmer.

 

Gründen und Wachstum sind kein Spaziergang

Klingt alles so verdammt logisch. Sowas musste ja jemand entwickeln. Ist Gründen wirklich so einfach, wie es klingt? Gab es denn überhaupt Herausforderungen oder Hürden für Qivalon? »Natürlich«, bestätigt der studierte Betriebswirt. »Und es ist extrem wichtig, mit Gründungsinteressierten auch darüber zu sprechen.« Das EXIST-Stipendium gleich zu Anfang sei beispielsweise ein ganz wichtiges Instrument. Es fängt das persönliche Risiko auf. Sichert einen erst mal ab. Im Idealfall kann man am Ende schon absehen, ob die Geschäftsidee was taugt. Butter bei die Fische: Wo wurde es ernst für Qivalon?

»Beim Vertrieb zum Beispiel«, kontert Ebert blitzschnell. »So lange es um die Entwicklung der Software geht, bewegen wir uns auf sicherem Terrain. Da bringen wir das Know-how mit. Aber der Vertrieb –  in dem Punkt verfügte keiner von uns über nennenswerte Erfahrung. Dabei sind unzählige Entscheidungen zu treffen: Was genau bieten wir an? Nur die Software oder die Software im Paket mit Schulung, Wartung und 24/7-Anwenderbetreuung? Vertreiben wir unsere Produkte direkt oder über Mittler? Wie bekommen wir bei den Speditionsfirmen den Fuß in die Tür? Ist Klinkenputzen überhaupt noch angesagt? Einen eigenen, effizienten Vertrieb aufbauen, kostet viele Jahre und viel Energie.« Für Qivalon hat sich neben dem Aufbau eines eigenen Vertriebsnetzes schnell ein alternativer Weg aufgetan. Das Start-up setzte von Anfang an auf Kooperationen mit anderen Unternehmen. »Dabei ging es im Ergebnis nicht nur um den Austausch von Wissen und Kontakten, über diese Schiene haben wir letztendlich bereits etablierte Vertriebswege nutzen können.« Stichwort ›White Label‹. »Wir haben unsere Software gemeinsam mit einem Tankkartenanbieter vertrieben und konnten so auf eine hohe Anzahl von Kundenkontakten des Tankkartenanbieters zugreifen, um unser lizensiertes Produkt zu vertreiben.«

»Darüber hinaus beschäftigt mich auch die finanzielle Situation«, räumt Christian Ebert ein. »Die habe ich stets im Kopf. Zu Anfang ging es nicht ohne Investoren in Form von stillen Beteiligungen. Auch wenn wir mittlerweile schwarze Zahlen schreiben, bleibt unser Ziel dennoch klar: weg vom Fremdkapital, hin zu mehr eigenem Kapital.«


  


Foto: Marion Bellaire, iStock

Kontakt

Hochschule für Technik und Wirtschaft
des Saarlandes
Goebenstraße 40
66117 Saarbrücken

Telefon: (0681) 58 67 - 0
Telefax: (0681) 58 67 - 122
E-Mail: info@htwsaar.de

Aufsichtsbehörde:
Ministerium der Finanzen und für Wissenschaft des Saarlandes

Folge uns