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  • Studierende der htw saar entdecken ›grünen‹ Strukturwandel

Text: Prof. Dr. Thomas Korne, Prof. Dr. Uwe Leprich, Prof. Dr. Tatjana König


1. Motivation 

Durch Klimawandel und klimabezogene Gesetzgebung ergibt sich für die Industrie im Saarland die Notwendigkeit eines ›grünen‹ Strukturwandels. Studierende gerade aus dem Bereich der Wirtschaftswissenschaften haben in den nächsten beiden Dekaden vielfältige Chancen, diesen mitzugestalten und bereits beim Einstieg in das Berufsleben mit dem richtigen ›Kompass‹ – also mit einer fundierten Einschätzung der notwendigen Veränderungen – ausgestattet zu sein. Wesentlich werden dadurch die Chancen am Arbeitsmarkt verbessert.

Als Reaktion auf die Ergebnisse zum Nachhaltigkeitsbezug von Lehrveranstaltungen einer Studierendenbefragung an der htw saar wurden Inhalte aus einem aktuellen Forschungsprojekt in die Lehre der Wirtschaftswissenschaften transferiert. Mit dem mehrstufigen Projektantrag GRIHSU! (›Green-Innovation-Hub Südwest‹) im Rahmen des BMBF-Programms ›WIR! – Wandel durch Innovationen in der Region‹ wurde ein ›grüner‹ Transformationsansatz für die Region intensiv erforscht. Gemeinsam mit dem August-Wilhelm Scheer Institut, dem Umweltcampus Birkenfeld und vielen produktionsnahen Unternehmen wird die htw saar mit diesem Projekt bei erfolgreicher Beurteilung ein Innovationsbündnis für die ›grüne‹ Transformation speziell im Mittelstand schaffen. Daher ist es geradezu ein Glücksfall, hier mit einem großen Forschungsprojekt zu einem ›grünen‹ Strukturwandel in unserer Region den Bogen zu neuen oder erweiterten Veranstaltungsinhalten im Rahmen des Wirtschaftsstudiums schlagen zu können. 

Im Folgenden wird der Weg von den Rahmenbedingungen für einen ›grünen‹ Strukturwandel über die Ergebnisse der Studierendenbefragung im Sommersemester 2020 hin zu ersten Ergebnissen des Forschungstransfers in die Lehre an der Fakultät ab dem Wintersemester 2020/21 aufgezeigt.

2. Rahmenbedingungen und Dynamiken des ›grünen‹ Strukturwandels

Seit etlicher Zeit verdichten sich die Anzeichen, dass wir vor einer grundlegenden Zeitenwende stehen. Spätestens der Klimavertrag von Paris 2015 hat das Ende des fossilen Zeitalters eingeläutet, und seither werden technisch, ökonomisch und politisch die Weichen für eine nachhaltigere, klimaverträglichere und ressourceneffiziente Industriegesellschaft gestellt. Vorreiter für die vielfältigen Weichenstellungen ist die Europäische Union mit der Europäischen Kommission als Speerspitze. Sie gab im Dezember 2019 den Startschuss für einen ›Green Deal‹, der ähnlich wie der ›New Deal‹ des amerikanischen Präsidenten Roosevelt vor dem 2. Weltkrieg einen fundamentalen Umbruch der Wirtschaftsweise bewirken soll. Am 14. Juli 2021 stellte die Europäische Kommission unter der Bezeichnung ›Fit for 55‹ ein erstes Gesamtpaket von reformierten und neuen EU-Richtlinien und -Verordnungen vor, mit denen die im European Green Deal verankerten Ziele erreicht werden sollen. Dazu gehören insbesondere Verschärfungen und eine Ausweitung des europäischen Emissionshandels, ambitioniertere Zielsetzungen in der Erneuerbare-Energien- und der Energieeffizienzrichtlinie sowie eine Richtlinie für eine höhere Energiebesteuerung. Obwohl derzeit noch offen ist, inwieweit das EU-Parlament und insbesondere der Ministerrat den Vorschlägen im Detail folgen werden, wird zumindest das namensgebende Ziel des Pakets – eine Minderung der Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 Prozent im Vergleich zum Basisjahr 1990 – nicht mehr in Frage gestellt.

Neben dieser klimapolitisch geprägten Offensive gibt es zahlreiche weitere Vorschriften und Aktivitäten auf EU- Ebene, um das Leitbild der Nachhaltigkeit in Anlehnung an die globalen Sustainable Development Goals (SDGs) in der europäischen Wirtschaft durchzusetzen. Dazu gehören u. a.

  • ein Fahrplan für ein ressourcenschonendes Europa und darauf aufbauend ein EU-Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft vom März 2020.
  • die Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom Juni 2020 über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen (Taxonomie-Verordnung) sowie der Entwurf für einen delegierten Rechtsakt zur EU-Klimataxonomie vom Juli 2021.
  • die Richtlinie im Hinblick auf die Angabe nicht-finanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Unternehmen und Gruppen vom Oktober 2014 (CSR-Richtlinie) sowie der aktuelle Vorschlag zu ihrer Änderung ›Corporate Sustainability Reporting Directive‹ (CSRD) vom April 2021.

Diese verbindlichen europäischen Richtlinienvorgaben, die dann national umzusetzen sind – in Deutschland zum Teil geschehen z. B. im Klimaschutzgesetz 21, im deutschen Ressourceneffizienzprogramm oder in der deutschen Sustainable Finance Strategy –, werden den notwendigen grünen Strukturwandel künftig prägen. Dies gilt sowohl für die nationale Handlungsebene z. B. durch die Beendigung der Kohleverstromung oder das Auslaufen des Verbrennermotors als auch auf regionaler Ebene wie z. B. die Umstellung auf klimaneutrale Heizungssysteme oder die Erfüllung von Recyclingquoten.


3. Ergebnisse der Studierendenbefragung zum Thema Nachhaltigkeit

Im Sommersemester 2020 erfolgte eine Studierenden-Zufriedenheits-Befragung, die im Rahmen mehrerer Projektarbeiten im Bereich Marketing bzw. Marktforschung mit Bachelor- und Masterstudierenden durchgeführt wurde. An der Online-Befragung nahmen nahezu 400 htw-saar-Studierende teil, mehrheitlich aus der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften. Unterstützt wurde die Erhebung von einer Vielzahl von Studienleitern, die sowohl Interesse an der Zufriedenheit der Studierenden mit dem gewählten Studiengang als auch mit der htw saar im Allgemeinen bekundet hatten. Bestehende Messinstrumente zur Erhebung der Studierenden-Zufriedenheit dienten dabei zur Orientierung bei der Fragebogen-Konzeption. Gängige Zufriedenheitsdimensionen wie Qualität der Lehrenden, bisher erreichtes Können und Wissen sowie Serviceleistungen der Hochschule (vgl. z. B. Jaeger et al. 2012) wurden genauso eingebunden wie studiengangspezifische Fragen z. B. zu Struktur und Aufbau des Studiengangs. Darüber hinaus wurden die anvisierten Positionierungsschwerpunkte, die zuvor in der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften im Rahmen von Strategie-Workshops ausgearbeitet worden waren, eingebunden: Digitalisierung, Entrepreneurship und Nachhaltigkeit. Die Befragung wurde über einen Online-Befragungslink an die Studierenden verteilt.



4. Erforderliche Kompetenzen zur Umsetzung eines ›grünen‹ Strukturwandels

Eine Umsetzung des ›grünen‹ Strukturwandels in produktionsnahen Unternehmen im Sinne der Erreichung einer weitgehenden Klimaneutralität und Ressourceneffizienzsteigerung erfordert die Abkehr von dem seit der Industrialisierung vorherrschenden linearen Wirtschaftsmodell (›Take-Make-Waste‹) zugunsten neuer Wirtschaftsmodelle wie dem der ›Green Economy‹ oder dem Modell der zirkulären Wertschöpfung (engl. Circular Economy). 

Die ›Green Economy‹, deren Idee auf die Konferenz der Vereinten Nationen in Rio de Janeiro über nachhaltige Entwicklung (UNCSD) im Jahr 2012 zurückgeht, ist eine Wirtschaft, die das menschliche Wohlergehen verbessert, soziale Gerechtigkeit schafft und gleichzeitig Umweltrisiken reduziert. Als marktbasierte Wirtschaft ist sie nicht nur auf ökologische Nachhaltigkeit und soziale Inklusion ausgerichtet, sondern strebt auch wirtschaftliche Profitabilität an.

Nach der gängigen Definition der Ellen MacArthur Stiftung handelt es sich bei der zirkulären Wertschöpfung um ein regenerativ gestaltetes industrielles System, das darauf abzielt, Materialien im Kreislauf zu halten, statt diese nach ihrer Nutzung zu entsorgen. Wesentlich sind auch die ausschließliche Nutzung erneuerbarer Energien, die Eliminierung von Verschwendung sowie der Verzicht auf toxische Chemikalien (Ellen MacArthur Foundation 2013).

Die Umsetzung dieser einfach klingenden Prinzipien ist in Unternehmen oder ganzen Lieferketten mit einem komplexen Transformationsprozess verbunden, für den jeweils firmeneigene technische oder betriebswirtschaftliche Lösungen gefunden werden müssen. Handelnde Akteure benötigen hierfür zusätzliche Kompetenzen und ein tiefgehendes Verständnis über den Lebenszyklus ihrer Produkte. Fachlich steht mittlerweile ein großes Bündel an Lösungskonzepten bereit. Das ›Green Supply Chain Management‹ (Sarkis & Dou 2017) hat das Ziel umweltfreundlicherer Lieferketten und beinhaltet Reverse Logistik (de Brito & Dekker 2003) oder Öko-Design (Achillas et al. 2018) als wesentliche Ansätze zur Rückführung und Weiterverwendung von Produkten. Wichtige technische Ansätze fokussieren auf einen effizienteren Betrieb oder auf energetische Optimierung. So lassen sich bspw. Bauteile durch automatische Demontage einfacher wiederverwenden (Poschmann et al. 2021), Anlagen durch ›Predictive Maintenance‹ (Reinhart 2017) länger nutzen oder ihr Energiebedarf durch Abwärmenutzung senken (Institut für ZukunftsEnergie- und Stoffstromsysteme/IZES 2015). Normen, bspw. für ein Umweltmanagement nach EMAS oder ein Energiemanagement nach DIN EN ISO 50001, enthalten wegweisende Grundsätze für ein umweltzentriertes Unternehmensmanagement. Betriebswirtschaftliche Konzepte wie bspw. Green Financing (Schütze et al. 2020, Bundesregierung 2021) oder die Post-Wachstums- und Gemeinwohlökonomie (Paech 2012, Felber 2018) zeigen Alternativen zu traditionellen marktwirtschaftlichen Wirtschaftsstrukturen auf. Im Bereich des Marketings wird zum ›Grünen Konsumenten‹ und speziell zum ›Attitude-Behaviour-Gap‹ geforscht – zur Lücke zwischen Konsumenteneinstellung und -verhalten. Mehr Transparenz für den Kunden entsteht durch eine nicht-finanzielle Berichterstattung, die nach der europäischen ›Corporate Sustainability Reporting Directive‹ CSRD, nach dem ›Global Reporting Index‹ GRI oder nach dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex DNK erstellt werden kann (Loew 2021). Webbasierte Plattform-Services oder ein digitalisierter Produktpass sind Beispiele der Digitalisierung, die im Allgemeinen Prozesse wie auch die der zirkulären Wertschöpfung wesentlich erleichtern können.

Neben diesem fachlichen Wissen stehen seit einigen Jahren neue Methoden zur Erfassung und Bewertung ökologisch relevanter Emissionen für Produkte und Dienstleistungen, Unternehmen oder Regionen bereit. Normiert wurde bereits die Erstellung der Ökobilanz nach DIN EN ISO 14040ff, die Erstellung der CO2-Bilanz nach DIN EN ISO 14067 sowie speziell für Logistikdienstleister die Ermittlung von Treibhausgasemissionen bei Transporten nach DIN EN 16258. Solche Emissionsdaten bilden die Basis für rationale Transformationspläne in Unternehmen, die sich über mehrere Jahre erstrecken können. Methodisch wegweisend sind auch das ›Sustainable Business Model Canvas‹ (Fichter & Tiemann 2015) sowie das transdisziplinäre Innovationsmanagement (Schön et al. 2020), mit denen gezielt Geschäftsmodelle für die Green Economy entwickelt werden können.

5. Notwendigkeit zur Gestaltung des Strukturwandels im Saarland

Eine ›grüne‹ Transformation eröffnet dem Saarland die Chance, die Region innovativ und zukunftsfähig zu gestalten und damit Arbeitsplätze und Lebensqualität zu sichern. Dies ist umso wichtiger, als im Saarland nach Jahrzehnten des Strukturwandels nun durch die Mobilitätswende erneut eine Vielzahl von Arbeitsplätzen auf dem Spiel steht und das Saarland Gefahr läuft, dauerhaft zu den »Problemzonen« der Republik zu zählen (Mohr 2021). Im Raum Homburg sowie Neunkirchen hängt beispielsweise jeder zweite Arbeitsplatz in der Metall- und Elektroindustrie am Verbrennermotor. Das Forschungsprojekt GRIHSU! strebt den Aufbau einer Modellregion für klimaneutrale und ressourceneffiziente Produktion an. Zu diesem Zweck sollen die bestehenden Stärken der Region wie Produktion, Automatisierungstechnik und Logistik miteinander vernetzt werden, um eine Innovationsdynamik im Bereich Umwelttechnik für innovative Geschäftsmodelle und ›grüne‹ Wertschöpfung zu schaffen. Ein auf Nachhaltigkeitsthemen spezialisiertes Schweizer Forschungsinstitut hat im Rahmen der GRIHSU!-Konzeptphase dem Saarland große Potenziale bei der Transformation zu einer zirkulären Wertschöpfung attestiert (Intep 2021). Diese basieren einerseits auf konkretem Aufholbedarf und andererseits auf günstigen regionalen Bedingungen wie hohe Produktionsintensität, aber auch auf überdurchschnittlichen Investitionen in die Umweltschutzwirtschaft. Nachholbedarf hat das Saarland beispielsweise im Bereich BIP-Zuwachs. Während im Zeitraum 2015-2018 das BIP bundesweit um 10 %, in Luxemburg sogar um 15 % gestiegen ist, verzeichnet das Saarland in diesem Zeitraum lediglich ein BIP-Wachstum von 4 % (Intep 2021). Mit 30 % der Beschäftigten im Verarbeitenden Gewerbe liegt das Saarland deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 24 % und kann als ›Werkbank der Republik‹ bezeichnet werden. Dabei ist die Anzahl der Beschäftigten in diesem Bereich seit 2013 im Gegensatz zum Bundesdurchschnitt kaum gesunken, was auf eine weniger starke Tertiärisierung im Saarland schließen lässt (Intep 2021, S. 21).

Das Institut Intep stellt weiterhin auf Basis von Experten-Interviews fest, dass trotz guter Ausgangslage die Kompetenzen und Ressourcen einzelner – gerade kleinerer – Unternehmen für eine ›grüne‹ Transformation nicht ausreichen. Benötigt werden größere Kooperationsstrukturen mit einer Vielzahl vernetzter Akteure auf unterschiedlichen Stufen der zirkulären Wertschöpfung, um eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft im Saarland aufzubauen und eine Innovationsdynamik im Bereich digitaler Umwelttechnik in Gang zu setzen, die nicht nur nachhaltige Geschäftsmodelle initiiert, sondern ›grüne‹ Wertschöpfung und die Steigerung der Ressourceneffizienz in der Region skalierbar macht. Gelingt dies, so könnte sich das Saarland als Frontrunner-Region ›Green-Southwest‹ positionieren.

6. Innovations- und Handlungsfelder des ›grünen‹ Strukturwandels

Im Zentrum des ›grünen‹ Strukturwandels steht die zirkuläre Wertschöpfung, die darauf abzielt, Ressourcen, Materialien und Energieströme im Wirtschaftskreislauf zu halten. Der Forschungsansatz von GRIHSU! sieht drei zentrale Innovationsfelder vor, die als Innovations-Mix ggf. in Kombination mit Digitalisierung für den ›grünen‹ Strukturwandel erforderlich sind:

  • Zirkuläres Produktdesign zeichnet sich sowohl durch die Langlebigkeit im ersten Produktlebenszyklus aus als auch durch die Nutzungskonzeption eines Produkts bzw. seiner Bestandteile in nachgelagerten Produktlebenszyklen (z. B. durch Re-, Up- und Downcycling). Bereits beim Design eines Produkts muss entsprechend eine problemlose Demontage am Ende des ersten Lebenszyklus berücksichtigt und die Zuführung in neue Produktkreisläufe eingeplant werden. Die eingesetzten Materialien sollten zudem möglichst nachhaltig, sicher, ungiftig, erneuerbar und im besten Fall recycelt sein.
  • Zirkuläres Prozessdesign zeichnet sich durch Ressourcen- und Energieeffizienz sowie die Einfachheit bei der Wiedereinbringung von Produkten und Materialien in einen neuen Lebenszyklus aus.
  • Zirkuläre Materialkreisläufe bilden die Basis dafür, dass Produkte und Materialien so lange wie möglich auf nutzenmaximaler Ebene im Produktions- bzw. Nutzungskreislauf gehalten werden können.

Im Ergebnis zielen diese Innovationsfelder auf die Realisierung von vier konkreten Handlungsfeldern ab. Mit ›grünen‹ Produkten sollen Produkte bezeichnet werden, die auf regenerativen Rohstoffen oder modularen Konzepten basieren und einen geschlossenen Lebenszyklus unterstützen. Durch ›grüne‹ Prozesse in Produktion und Logistik sollen Ursache-Wirkungseffekte, welche sich typischerweise über Lieferketten, verschiedene Produktionsschritte sowie über den Lebenszyklus des Produktes beim Kunden erstrecken, identifiziert und optimiert werden. Zu ›grünen‹ Services zählen u. a. die Erstellung von Plattformen bzw. Marktplätzen, die Entwicklung von prototypischen Cloud Services sowie Dienstleistungen, die um neue Umwelttechnologien herum entstehen oder als Mehrwert zum umweltgerechten Produkt angeboten werden. Für die Schonung von Ressourcen und die Förderung der Kreislaufwirtschaft werden neue technische Einrichtungen benötigt, um nachhaltige Produktionsprozesse zu ermöglichen bzw. weiterzuentwickeln.



7. Direkter Transfer in die Lehre der htw saar 

Während der Konzeptphase des Projekts GRIHSU! zeichnete sich für die beteiligten Professor*innen ab, dass sich die Projekt- und Rechercheergebnisse thematisch für einen direkten Transfer in neue und bestehende Lehrformate eignen, um die Lücke der Studierendenbefragung an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften zu schließen. Mit Blick auf den anstehenden Wandel der saarländischen Industrie wurden ab dem Wintersemester 2020/21 Seminare und Vorlesungen mit Bezug zu den Handlungsfeldern der ›grünen‹ Transformation sowohl in Bachelor- als auch in Masterstudien-gängen der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften angeboten. In empirischen Marketing-Veranstaltungen wurden beispielsweise Konsumentenprofile mit unterschiedlicher Nachhaltigkeits-Ausprägung (›different shades of green‹) ausgearbeitet. Im internationalen Green-Marketing-Seminar setzten sich IBW-Studierende mit den Herausforderungen des nachhaltigen Konsums sowie der Vermarktung ›grüner‹ Produkte und Dienstleistungen auseinander. Hierzu gehörten die unterschiedlichen Dimensionen des ›Green Washings‹ genauso wie die Erkenntnis, dass die Produktion einer Jeans mehrere tausend Liter Wasser erfordert und dass jedes Kleidungsstück mindestens 30 Mal getragen werden sollte (Lippitz 2021).

In Seminaren der Logistik konnten deutsch-französische Studierende im Themenfeld des ›Green Supply Chain Managements‹ die Auswirkungen der EU-Klimagesetzgebung auf produzierende Unternehmen mit Handlungsoptionen vertiefen. Weitere Aufgabenstellungen waren Nachhaltigkeitscontrolling und nicht-finanzielle Berichterstattung. Wahlfächer zur nachhaltigen Ökonomie wurden thematisch angepasst. Das speziell vor dem Hintergrund des kommenden klimabedingten Strukturwandels im Saarland neu konzipierte Wahlfach ›Green Economy‹ wurde im Sommersemester 2021 für mehrere Masterstudiengänge der Fakultät angeboten und von den Student*innen mit überdurchschnittlichen Evaluationsergebnissen beurteilt. Neben der Vermittlung fachlicher Inhalte zur Kreislaufwirtschaft und ›grünen‹ Ökonomie erhielten die Teilnehmer die Aufgabe, eigenständig ein ›grünes‹ Geschäftsmodell oder ein ›grünes‹ Transformationsvorhaben in Form einer Projektarbeit unter Anwendung der im Vorlesungsteil erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten auszuarbeiten und zu präsentieren. Aufbauend auf einem neuen didaktischen Konzept mit den Methoden des ›Sustainable Business Model Canvas‹ und des transdisziplinären Innovationsmanagements entwickelten die Studierenden Geschäftsmodelle in der Region, u. a. zur Herstellung synthetischer Kraftstoffe, für eine ›grüne‹ Hochschule, zum Recycling von E-Batterien, zur automatischen Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten oder für neue Reparaturshops. Im dargestellten Beispiel haben Studierende sich mit der Herstellung von synthetischen Kraftstoffen beschäftigt und auf Basis möglicher Kunden und nötiger Input-Ressourcen über das ›Sustainable Business Model Canvas‹ die Nutzung regionaler Klärschlämme zur Herstellung von künstlichem Kraftstoff in Betracht gezogen. Aus groben Abschätzungen für Kosten und Erträge kamen sie unter bestimmten rechtlichen Voraussetzungen auf ein prinzipiell tragfähiges Geschäftsmodell.

Erstmals in einem Studienprojekt im ›Master Supply Chain Management‹ werden Studierende im Wintersemester 2021/22 in einem regionalen Unternehmen, das Büromöbel herstellt, den CO2-Fußabdruck ermitteln und konkrete Maßnahmen zur Verbesserung in Produktion und im Energiemanagement erarbeiten. In mehreren Abschlussarbeiten, die zum großen Teil mit Unternehmen stattfanden, beschäftigten sich Studierende bereits mit CO2-Bilanzen, Einflussfaktoren auf die Nutzung von Naturprodukten oder dem Einsatz von Elektro-LKWs in Versorgungsprozessen der Logistik.

Im Rahmen des Projekts GRIHSU! hat die Hochschule für Unternehmer einen Workshop unter dem Titel ›Profitabel durch Nachhaltigkeit‹ durchgeführt, in dem bspw. mit der Methodik des ›Sustainable Business Model Canvas‹ eine nachhaltigere Versorgung ländlicher Regionen konzipiert wurde. In einer Vortragsreihe zu nachhaltigen Geschäftsmodellen berichteten Unternehmen aus Deutschland und der Schweiz über erfolgreiche Lösungen der ›grünen‹ Transformation.Mit dem Thema der Preisbereitschaft für nachhaltig hergestellte Produkte konnte ein erstes Promotionsvorhaben im Bereich des ›grünen‹ Marketings gestartet werden. Weitere Promotionsvorhaben in den Bereichen Reverse Logistics und Energiemanagement sollen im Rahmen von GRIHSU! folgen.

         

8. Zusammenfassung und Ausblick

Die Evaluationsergebnisse der neuen Lehrveranstaltungen belegen, dass eine weitere Integration von Themen des ›grünen‹ Strukturwandels in die Hochschule seitens der Studierenden erwünscht ist. Eine Weiterführung des Projekts GRIHSU! wird bei positiver Begutachtung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung für einen Zeitraum von bis zu sechs Jahren stetigen Forschungstransfer nicht nur in die Fächer der Wirtschaftswissenschaften, sondern auch in andere Fakultäten ermöglichen. Das Fach ›Green Economy‹, derzeit noch Wahlfach, soll ab dem Sommersemester 2022 im Master Wirtschaftsingenieurwesen zum Pflichtfach werden. In den Studienfächern Bachelor Betriebswirtschaft und Bachelor International Business wird es ab dem Wintersemester 2022/23 eine Schwerpunktvorlesung zum nachhaltigen Logistikmanagement geben. Weiterhin werden Themen des nachhaltigen Konsums Einzug in das Mastermodul ›Internationales Kaufverhalten‹ finden. Die Nachfrage nach Bachelor- und Masterarbeiten von Unternehmen mit Bezug zu ›grünen‹ Themen nimmt tendenziell zu. Eine weitere Studierendenbefragung wird erforderlich sein, um die Auswirkungen in der Lehre auf die Wahrnehmung der Studierenden beurteilen zu können. Das Potenzial der ›grünen‹ Themen ist groß, da in den Unternehmen der Region bisher wenig umgesetzt ist – bestehende Hochschulformate müssen im Hinblick auf die fachlichen Bedürfnisse + der regionalen Unternehmen hin sukzessive angepasst werden.

Mit ›grünen‹ Ideen zum Strukturwandel tragen die am GRIHSU!-Projekt beteiligten Professor*innen nicht nur zum Forschungsschwerpunkt ›Robustheit, Effizienz und Nachhaltigkeit von Prozessen‹ der Hochschule bei, sondern bringen auch neue Methodik und wichtige Kompetenzen für die Zukunft in die Lehre. Die neuen Angebote in Form von Seminaren, Projekten, Vorlesungen und Abschlussarbeiten werden von Studierenden sehr gut angenommen. Der Forschungstransfer aus dem Projekt GRIHSU! hat es ermöglicht, sie für den ›grünen‹ Strukturwandel zu qualifizieren und zu motivieren. Sie bringen ›grünes‹ Wissen und neue Impulse in Unternehmen, öffentliche Institutionen und Neugründungen. Der Transfer ist ein weiterer Beleg dafür, dass Lehre und Forschung an anwendungsorientierten Hochschulen zusammengehören. 


Foto: Florian Diener, htw saar

GRIHSU! (Green-Innovation-Hub Südwest)

01.09.2020 – 31.05.2021
(Konzeptphase)

August-Wilhelm Scheer Institut (AWSi) Umweltcampus Birkenfeld

Prof. Dr. Thomas Korne
Fakultät für Wirtschaftswissenschaften Waldhausweg 7  
66123 Saarbrücken
T +49 (0)681 5867 – 697
thomas.kornenoSpam@noSpamhtwsaarnoSpam.de

Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) 

Programm ›WIR! – Wandel durch Innovation in der Region‹ aus der Programmfamilie ›Innovation & Strukturwandel‹ – Zweite Auswahlrunde –, Bundesanzeiger von 08.11.2019

Achillas, C., Bochtis, D. D., Aidonis, D., Folinas, D. (2018), Green Supply Chain Management. New York, NY: Routledge Member of the Taylor and Francis Group. 

Amend, K., Erceg, A. (2021), Biosprit unter Nachhaltigkeits- und Konkurrenzgesichtspunkten, Projektarbeit Sommersemester für WIMAScWPF-W21. 

de Brito, M. P., & Dekker, R. (2003),  A Framework for Reverse Logistics, doi:10.1007/978-3-540-24803-3_1. 

Bundesregierung (2021), Deutsche Sustainable Finance-Strategie, Berlin, unter: www.bundesfinanzministerium. de/Content/DE/Downloads/Broschueren_Bestellservice/deutsche-sustainable-finance-strate-gie.pdf?__blob=publicationFile&v=6. 

Ellen MacArthur Foundation (2013), Towards the Circular Economy: Opportunities for the consumer goods sector, unter: https://emf.third-light.com/link/coj8yt1jogq8-hkhkq2/@/preview/1?o. 

Felber, C. (2018), Gemeinwohl-Ökonomie, München: Piper Verlag. 

Fichter, K., & Tiemann, I. (2015), Das Konzept ›Sustainable Business Canvas‹ zur Unterstützung nachhaltigkeitsorientierter Geschäftsmodellentwicklung, Oldenburg und Berlin. 

Intep (2021), Umfeld- und Potenzial-analyse Green Innovation und Kreislaufwirtschaft, Unveröffentlichte Studie des Institut INTEP im Rahmen des Projektantrags GRIHSU!

Institut für ZukunftsEnergie- und Stoffstromsysteme/IZES (2015), Abwärmenutzung - Potentiale, Hemm-nisse und Umsetzungsvorschläge, unter: https://www.izes.de/sites/default/files/publikationen/20150901_ BMUB_Studie_Abwaerme_V.1.1.pdf. 

Jaeger, M., In der Smitten, S., Patzig, W., Brekenkamp, J. (2012), Entwick-lung eines Qualitätsmanagement- Systems, in: Wissenschaftsmanagement, pp. 39–43, unter: https://www. wissenschaftsmanagement.de/management/entwicklung-eines-qualitaetsmanagement-systems. 

Lippitz, U. (2021), Ein Kleid mindestens 30 Mal tragen, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Nr. 21, S. 15. 

Loew, T. (2021), Entwicklung der Nachhaltigkeitsberichterstattung: Entstehung, Standards, Gesetze und Nutzen, in: Institute for Sustainability, unter: https://www.4sustainability. de/nachhaltigkeits-berichterstattung/hintergrund.html.  

Mohr, D. (2021), Autoland im Wandel: Das sind Deutschlands Problemzonen, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Nr. 33, S. 26. 

Paech, N. (2012), Befreiung vom Überfluss: Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie, München: oekom Verlag. 

Poschmann, H., Brüggemann, H., Goldmann, D. (2021), Fostering  

End-of-Life Utilization by Informa-tion-driven Robotic Disassembly, in: Procedia CIRP, S. 282–287, doi: 10.1016/j.procir.2021.01.104. 

Reinhart, G. (2017), Handbuch Industrie 4.0: Geschäftsmodelle, Prozesse, Technik, München: Carl Hanser Verlag. 

Sarkis, J., & Dou, Y. (2017), Green Supply Chain Management: A Concise Introduction, unter:  https://www.routledge.com/Green-Supply-Chain-Management-A-Concise-Intro-duction/Sarkis-Dou/p/book/ 9781138302815. 

Schön, S., Eismann, C., Wendt-Schwarzburg, H., Kuhn, D. (2020), Transdisziplinäres Innovationsma-nagement: Nachhaltigkeitsprojekte wirksam umsetzen, in: wbvOpenAc-cess, doi:10.3278/6004698w. 

Schütze, F., Stede, J., Blauert, M., Erdmann, K. (2020), EU-Taxonomie stärkt Transparenz für nachhaltige Investitionen, in: DIW Wochenbericht, Nr. 51, S. 974-981, unter: https://www.diw.de/documents/publikatio-nen/73/diw_01.c.807069.de/20-51-1.pdf. 

Bildquellen 

Abbildung 1: Prof. Dr. Tatjana König

Abbildung 2: Projekt-Antrag GRIHSU!

Abbildung 3: Prof. Dr. Uwe Leprich auf Basis von Amend & Erceg 2021

Abbildung 4: Prof. Dr. Thomas Korne

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