Vizepräsidentin Prof. Dr. Charis Förster im Gespräch

Frau Förster, seit 1. April sind Sie Vizepräsidentin für Forschung, Wissens- und Technologietransfer. Was waren Ihre persönlichen Beweggründe, diese Aufgabe zu übernehmen?

Ich empfinde es als besondere Wertschätzung, dass sozialwissenschaftliche Expertise für ein solches Amt angefragt und auch bestätigt wurde. Die Forschungstradition an der htw saar ist durch meine Amtsvorgänger sehr erfolgreich gestaltet worden. Die Erwartungen sind daher hoch. Als langjährige Professorin unserer Hochschule weiß ich aber, dass ein engagiertes Team die Hochschule in Forschung und Lehre trägt. Die sozialwissenschaftliche Perspektive noch stärker in die Hochschule einzubringen, ist mir ein großes Anliegen. Ich persönlich sehe neue Aufgaben als eine besondere Chance, mich zu vernetzen, Neues kennenzulernen, meine fachliche Expertise einzubringen und zu erweitern.

 Sie sind sowohl Psychologin als auch Theologin, forschen und lehren auf dem Gebiet ‚Pädagogik der Kindheit‘. Fließt in Ihre Arbeit das Beste aus drei Fachdisziplinen ein?

 Ja, natürlich. Alle drei Fachdisziplinen haben mit Beziehungen zwischen Menschen zu tun und sind an ihren Bedarfen und Bedürfnissen interessiert und orientiert. Das macht den besonderen Reiz aus. Während in der Theologie v.a. qualitative Verfahren der hermeneutischen Textanalysen im Fokus standen, haben mich in der Psychologie die quantitativen Methoden, Kosten-Nutzen- und Prozessanalysen zu gesundheitsbezogenen, sozial- und motivationspsychologischen Themen begeistert. Tatsächlich waren es auch die forschungsmethodischen Kompetenzen, die mir die Türen zur Pädagogik der Kindheit geöffnet haben. Viele gesellschaftsrelevante Anliegen, wie Nachhaltigkeit, Digitalisierung, MINT, Diversität, interkulturelle und sprachliche Kompetenzen, Achtsamkeit sich selbst und anderen gegenüber, werden bereits in früher Kindheit geprägt, junge Kinder dafür sensibilisiert. Das ist mir als Bildungswissenschaftlerin sehr wichtig.

 An einer Hochschule, die in Ihrem Namen zwei Schwerpunkte benennt, nämlich „Technik“ und „Wirtschaft“, setzt die Forschung auf die Führung durch eine Sozialwissenschaftlerin. Warum ist das eine goldrichtige Entscheidung?

 Forschung und Wissenschaft hat immer etwas mit Kommunikation und Austausch zu tun und der Berücksichtigung anderer fachlicher und persönlicher Perspektiven. Also Technik, Wirtschaft und Sozialwissenschaften. Ich bin manchmal erstaunt, dass einige gar nicht wissen, dass wir auch spannende Studiengänge und Forschungsprojekte zu sozialen, bildungs-, gesundheitsbezogenen Schwerpunkten anbieten bzw. durchführen. Bei aktuellen gesellschaftsrelevanten, technischen, wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen ist die sozialwissenschaftliche Perspektive notwendiger denn je.

Die htw saar feierte jüngst ihr Fünfzigjähriges. Fachhochschulen standen zu dieser Zeit für eine berufsorientierte Hochschulausbildung. Tatsächlich begann die htw saar bereits Ende der achtziger Jahre zu forschen und erzielt nun mit 15 Millionen Drittmitteln im Jahr mehr als doppelt so viele Forschungsgelder als der Durchschnitt aller Fachhochschulen in Deutschland. Wer profitiert von der Forschungsstärke der htw saar?

Aktuell können von der interdisziplinären Zusammenarbeit in Forschung, Wissens und Technologietransfer eigentlich alle profitieren – Akteure, Unternehmen, Träger, Politik, Gesellschaft, Menschen. Allen voran unsere Studierenden. Sie haben vielfältige Möglichkeiten, während des Studiums in Forschungs- und Transferprojekten mitzuarbeiten, sich auszuprobieren und bei der Entwicklung von Innovationen beteiligt zu werden. Das ist nicht nur wertschätzend, sondern motivierend und führt in diesem ko-konstruktiven Prozess häufig zu neuen kreativen Ideen und Lösungen. Forschungs- und Transferprojekte werden in den meisten Fällen in Kooperation mit Unternehmen und Trägern durchgeführt. Diese bieten perspektivisch gute Berufs- und Karrierechancen für unsere Absolventinnen in der Region. Also ein Win-win-Situation auf allen Seiten.

Eine Studie zur Widerstandskraft regionaler Ökonomien am Beispiel des Saarlandes ergab, dass die im Zuge des Strukturwandels entstandenen wissens- und technologieintensiven Branchen im Saarland nicht mit den älteren verarbeitenden Gewerben verbunden sind. Dadurch bleiben regionale Wachstumspotenziale ungenutzt. Welche Rolle kann hier die Hochschule übernehmen?

 Mit dem Rückgang von Kohle und Stahl hat sich die saarländische Wirtschaft neu aufstellen müssen. Das Saarland profitiert auf der einen Seite von seiner Einbettung in starke Cluster, z.B. in der Automobilindustrie, aber eine starke Konzentration bringt auch immer hohe Risiken mit sich. Breit aufgestellte Regionen, in denen sich neue Industriezweige oder Dienstleistungen etablieren, wachsen ebenso, entwickeln sich aber deutlich stabiler. Und hier übernehmen die Hochschulen eine wichtige Rolle. Ob gemeinsame Forschungsprojekte, die Kommerzialisierung von Patenten oder Ausgründungen: neue, innovative Produkte, Services oder Geschäftsmodelle verändern etablierte Branchen. Sie regen den regionalen Wettbewerb an und fördern eine diversifizierte Wirtschaftsstruktur. Wichtig ist aus meiner Sicht, dass die Hochschule dabei stets die konkreten Bedarfe der Region erkennt und gemeinsam mit den regionalen Akteuren Lösungen erarbeitet. Diese Art des Wissenstransfers kann den Strukturwandel an der Saar entscheidend fördern.


       


Foto: htw saar

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