Das Interview mit Prof. Dr. Uwe Leprich haben Linda und Jana am 18. Mai 2022 geführt.
Nennen Sie uns doch mal drei Hashtags bzw. drei Schlagwörter, die für Sie der Begriff Nachhaltigkeit beinhaltet.
Effizienz, Suffizienz, Konsistenz
Was sind die Schwerpunkte in Ihrem Modul „Umwelt und Klimaschutz“ und was sollen Ihre Studierenden aus Ihrer Vorlesung mitnehmen?
Ich habe den Anspruch, den Studierenden das etwas größere Bild zu vermitteln, denn man ist sehr oft geneigt, sich seine Spezialthemen zu suchen, da fühlt man sich wohl, da kennt man sich aus und vergisst darüber, dass das nur ein kleiner Teil einer großen Umgebung ist. Das große Bild, das man haben sollte, egal was man später macht, ist: „Wie ist eigentlich der Zustand dieses Planeten?“ Davon hängt letztlich alles ab. Insofern muss man einmal drauf eingehen, welche Bedrohungen, welche Belastungsgrenzen gibt es für diesen Planeten, was tut die globale Weltgemeinschaft, um vorhandene Probleme zu lösen? Was macht die europäische Ebene, was macht die nationale Ebene, was können wir auf einer regionalen Ebene tun, bis hinunter „was kann denn eigentlich die Hochschule machen“ und ganz zum Schluss „was kann jeder Einzelne beitragen?“
Nachhaltigkeit ist ein Thema, das die ganze Welt beschäftigt. Welche Rolle spielt Ihrer Meinung nach die Lehre dabei, beziehungsweise was kann die Lehre bezwecken?
Wichtig ist meines Erachtens, das Thema in seiner ganzen Breite zu beleuchten. Ich gebe mindestens vier bis acht Inputveranstaltungen à vier Stunden für den Gesamtüberblick. Also eine Einführung in die Nachhaltigkeitsansätze, -strategien und -dimensionen. Darüber hinaus ein Aufriss über die planetaren Belastungsgrenzen, um dann zu Spezialgebieten zu kommen. Einmal die Klimakrise/Klimapolitik, dann der gesamte Bereich Rohstoffe und Ressourcen bis hin zu Green Finance/Sustainable Finance, also den Finanzmärkten. So erhalten die Studierenden einen Eindruck von jedem einzelnen Gebiet, das sich um Nachhaltigkeit herumrankt. Darauf aufbauend können sie dann ihre Vorträge halten und die Ausarbeitungen durchführen, weil sie das entsprechende Grundlagenwissen haben.
Sie meinten ja, Sie versuchen dieses „Herunterzoomen“ zu lehren, also was auch die Hochschule machen kann. Haben Sie da konkrete Beispiele?
Ich mache zurzeit im Rahmen der Veranstaltung Green Economy eine Fallstudie, welche Ansätze kann es konkret an der htw saar für ein grünes Geschäftsmodell geben? Egal was man macht, man muss ja mit dem Finanzrahmen, mit dem Haushalt klarkommen, also irgendwie müssen die Sachen sich rechnen, und das ist diesmal so allgemein und breit formuliert, dass mir zunächst egal ist, was dabei für ein grünes Geschäftsmodell herauskommt. Es muss nur in diese Richtung gedacht werden.
Zur Orientierung wurden Grundlagen für Business Cases gelegt, und dann gehen die Studierenden los und schauen, was man hier konkret machen kann. Ist es vernünftig, eine Photovoltaikanlage aufs Dach zu machen? Ist Mülltrennung in der Mensa ein Ansatz, der sich lohnen könnte? Bis hin zum Beschaffungswesen für unser Papier und was wir sonst noch alles brauchen. Die Studierenden sollen den Blick dafür bekommen, wo könnte man relativ gut solche Business Cases entwickeln, das ist die Idee.
Denken Sie, davon wird auch irgendwann später etwas umgesetzt?
Ich hatte vor 25 Jahren bereits vorgeschlagen, hier eine Photovoltaikanlage aufs Dach zu machen, die ist bis heute nicht da. Anders als damals haben wir jetzt einen Globalhaushalt, und jetzt müsste es eigentlich möglich sein. Ich bin guten Mutes, weil ja auch von allen Seiten Druck gemacht wird. Auf Dächer gehören meiner Meinung nach Photovoltaikanlagen, es ist nur die Frage der Zeit, wie schnell das umgesetzt wird.
Denken Sie nicht, es wäre schlau, wenn das Ganze viel breiter gefächert wird. Also wir aus dem ITM-Studiengang haben ja gar nichts damit zu tun, obwohl der Tourismus ja viel mit Nachhaltigkeit zu tun hat, aber wir haben kein Modul hierfür.
Es gab mal eine Initiative, das war lange vor ihrer Zeit, von einer Stiftung im Saarland, die die htw saar großzügig sponsern wollten, wenn in jedem Studiengang ein Pflichtfach Nachhaltigkeit verankert würde. Das ist leider damals abgelehnt worden, ich hätte es sehr begrüßt, denn dieses Basiswissen braucht eigentlich jeder.
Welche Frage hätten Sie sich denn gewünscht, dass wir sie Ihnen noch stellen?
Eine übliche Frage ist immer: „Was kann denn der Verbraucher, der Nutzer dazu beitragen, dass mehr Nachhaltigkeit in der Welt ist, dass mehr Klimaschutz und Ressourcenschonung“ stattfindet?“
Meine Antwort ist stets, dass der Verbraucher das allerschwächste Glied in der Kette ist. Der Verbraucher allein ändert gar nichts. Man verhält sich im Einklang mit den Zielen der Nachhaltigkeit, damit man morgens in den Spiegel schauen kann, nicht weil man meint, damit die Welt zu verändern.
Die Welt ändern tun Entscheidungsträger, das tun Politiker, das tun Unternehmen, die stellen die großen Weichen, und sie müssen diese auch stellen.
Ich wurde schon oft gefragt „Was machen Sie denn selbst für den Klimaschutz als wichtiges Thema in Sachen Nachhaltigkeit?“ Meine Standardantwort ist: „Ich bin Vegetarier“. Dann sind immer alle ganz ratlos, und dann fängt man an zu erklären: Wie viel Land genutzt werden muss, um die Tiere zu füttern, wie viel energieintensiver Dünger dafür notwendig ist, wie viel Methan die Tiere jährlich ausstoßen und so weiter. Das haben viele oft gar nicht auf dem Bildschirm. Sie erwarten von mir eher die Standardantwort, dass ich Stromsparlampen einschraube und Fahrrad fahre. Das mache ich natürlich auch, aber als früherer Fleischesser habe ich eine Gewohnheit geändert, und das ist häufig viel schwieriger.